Stadtbäume und Klimawandel
Die Folgen des Klimawandels lassen sich an unseren Stadtbäumen deutlich erkennen. Durch lange Hitze- und Trockenperioden werden die Bäume in ihrer Widerstandskraft geschwächt und sind so leichtes Opfer für Schädlinge.
Überdurchschnittlich viele Bäume gingen deswegen in den letzten Jahren auf innerstädtischem Gebiet zugrunde. In den drei Jahren von 2018 bis 2020 starben 925 Bäume infolge der letzten heißen Sommer (im Vergleich: in den fünf Jahren von 2013 bis 2017 waren es 604). Dr. Ernst Baader, Leiter des Landschafts- und Forstamts Heidelberg, fasst die Lage so zusammen: „Der innerstädtische Baumbestand ist massiv gefährdet.“[1]
Beispiel 1: Emmertsgrund, Wäldchen unterhalb der Jaspersstraße
In dem als Naherholungsgebiet beliebten und vielbesuchten kleinen Wäldchen unterhalb der Jaspersstraße mussten die Kronen einer ganzen Reihe von Buchen im Februar 2022 stark eingekürzt werden, denn es bestand Bruchgefahr. Die Bäume sind durch den Klimawandel (zu trockene Sommer, zu wenig feuchte Winter) stark geschädigt; obendrein wurzeln sie auf felsigem Untergrund.
Die Beschneidung der Kronen ermöglicht es, dass die kranken Bäume ohne Gefahr für Passanten noch eine Weile stehen bleiben können – zum Nutzen der Vögel und anderer Tiere. (Vgl. dazu MRN-News vom 10.02.2022).
Beispiel 2: Bergheim, Anlage am Gneisenauplatz
Hier einige Aufnahmen von Bäumen, die im Februar 2021 im Park an der Vangerowstraße (zwischen Yorck- und Gneisenaustraße) in Bergheim gefällt werden mussten, weil wegen massivem Pilzbefall die Gefahr von Astbruch bestand bzw. die Standfestigkeit nicht mehr gesichert war.
Es handelte sich bei den gefällten Bäumen um sieben große, alte Zuckerahorne. Die Art stammt ursprünglich aus Nordamerika/Kanada. Nicht umsonst trägt sie den Namen „Zuckerahorn“: Man gewinnt aus diesen Bäumen den Ahornsirup. Geschätzt wird sie auch wegen ihrer intensiven gelb-roten Herbstfärbung; in ihrer Heimat tragen diese Bäume damit zum „Indian Summer“ bei. Das stilisierte rote Blatt auf der kanadischen Flagge stellt ein Zuckerahornblatt dar.
Befallen war die Baumgruppe von drei verschiedenen Pilzen: dem Lackporling, dem Zunderschwamm und dem Austernpilz, der die sog. Weißfäule verursacht. Durch die Weißfäule wirkt das Holz heller, erscheint faserig. Typisch sind auch dunkle Linien an der Grenze zwischen befallenem und noch gesundem Holz. Allen drei Pilzarten ist gemeinsam, dass sie das Holz zersetzen.
Für die großen Bohrlöcher an einem der Stämme (oben, Mitte) sind vermutlich Bockkäfer verantwortlich, die bei dem mürb gewordenen Holz leichtes Spiel hatten.
Beispiel 3: Neuenheim, Marktplatz
Das Neuenheimer Marktplätzchen – für Menschen ein sehr angenehmer und beliebter Aufenthaltsort. Für die dort gepflanzten Bäume aber ein äußerst widriges Umfeld, geradezu ein „Death Valley“, das ihnen das Überleben in vielfacher Hinsicht schwermacht:
- Alleinstand
D.h., jeder Baum steht für sich und hat nicht wie im Wald direkte Nachbarn, die Schatten und Verdunstungskühle spenden könnten. In Zeiten des Klimawandels ein erheblicher Nachteil. - Strahlungswärme
Der steinerne Platz und die Häuserfronten ringsum werden im Sommer sehr heiß und strahlen auch lange nach Sonnenuntergang noch jede Menge Wärme ab. - Wassermangel
Regenwasser, das auf dem Platz ankommt, läuft durch die Pflasterung rasch ab und verschwindet ungenutzt in der Kanalisation. Das alles führt dazu, dass die Bäume sehr zäh und trockenheitstolerant sein müssen, um dort zu überleben. - Mangelnde Belüftung des Wurzelraums durch das Steinpflaster
- Druck auf den Wurzelraum
Der Wurzelraum in Stammnähe ist druckempfindlich und sollte möglichst nicht betreten werden. - Bodenverdichtung durch ständiges Betreten.
Auf der Suche nach der belastbarsten Baumart –
1. Versuch: Pflanzung von Robinien
Die Stadtgärtner kennen die zahlreichen Probleme des Standorts sehr genau, die sich durch die zunehmende Erderwärmung verschärfen. Sie versuchen, ihnen mit der Wahl besonders widerstandsfähiger Baumarten zu begegnen. Daher bepflanzten sie vor etlichen Jahren den Platz mit Robinien („Scheinakazien“), die als äußerst robust gelten.
Doch 2006 ist klar: Die erkrankten Robinien müssen alle gefällt werden.
Trotz ihrer Robustheit haben es die Robinien nicht geschafft, an diesem extremen Standort zu überleben. Die 14 Robinien mussten gefällt werden, obwohl sie erst 30 Jahre alt waren. Geschwächt durch die Widrigkeiten des Standorts wurden sie vom Eschenbaumschwamm befallen.
Äußerlich ist der Befall für den Laien nicht erkennbar, da der Pilz Schäden im Wurzelbereich und im Stammfuß verursacht. Der Eschenbaumschwamm ist gefährlich, denn er beeinträchtigt die Standfestigkeit des Baums.
In den 1960-er Jahren war der Eschenbaumschwamm in Deutschland kaum nachweisbar. Doch der wärmeliebende Schadpilz profitiert vom Klimawandel und findet immer weitere Regionen, in denen er sich wohlfühlt und ausbreitet.
2. Versuch: Zürgelbäume anstelle der Robinien
Anstelle der Robinien wurden damals 14 Zürgelbäume gepflanzt (Celtis australis), die als sehr zäh und trockenheitsresistent gelten.
Im März 2021 mussten nun 2 abgestorbene Zürgelbäume durch Amberbäume ersetzt werden.
Nun beginnen offenbar auch die Zürgelbäume zu schwächeln. Zwei von ihnen sind 2020 aufgrund des ungünstigen Standorts und der langen Dürreperioden der letzten Sommer infolge des Klimawandels abgestorben; ein weiterer hat im Frühjahr 2022 nicht wieder ausgetrieben.
Zwei kaputte Zürgelbäume wurden im Frühjahr 2022 durch Amberbäume ersetzt – eine Baumart, die im Herbst durch spektakuläre Laubfärbung besticht. Auch der Amberbaum gilt als sehr hitze- und trockenheitsresistent.
Um den Jungbäumen von Anfang an bessere Wachstums-bedingungen zu ermöglichen,
- wurden nun an den Pflanzstellen jeweils zur Druckentlastung der Wurzeln ein unterirdisches Gerüst angelegt und spezielle Entlüftungsschächte eingezogen.
- Gleichzeitig ist der Bereich über dem Wurzelstock nicht mehr gepflastert, sondern offen, sodass Regenwasser hier gut einsickern kann.
- Eine Schilfrohrmatte schützt die empfindliche junge Rinde vor intensiver Sonneneinstrahlung, die sonst zu Sonnenbrand führen kann. Die Matte bietet zugleich auch Schutz vor großen Temperaturschwankungen, durch die die Rinde aufplatzen kann (Stammrisse dazu s. unten auf der Seite).
Update Frühjahr 2023: Inzwischen sind fünf tote Zürgelbäume durch Amberbäume ersetzt.
Beispiel 4: Platanen am Neckarufer
Im März 2020 meldete die RNZ, dass 5 Platanen in der Neuenheimer Landstraße gefällt werden mussten.[2] Ursache waren die beiden Hitzesommer 2018 und 2019. Die Platanen sind aber nicht einfach verdurstet. Vielmehr waren sie durch die andauernde Hitze der letzten Sommer und den permanenten Wassermangel so gestresst, dass sie keine Abwehrkräfte mehr gegen Pilzbefall hatten. Auch eine Kastanie war aus gleichem Grund eingegangen.
Die abgestorbenen Bäume sollen im Herbst durch 7 neue ersetzt werden. Für die tote Kastanie soll wieder eine Kastanie gepflanzt werden.[3]
Unter den verbliebenen Platanen am Neckarufer sind einige weitere, die selbst für einen Laien keinen guten Eindruck machen, wie die Fotos unten zeigen.
Auf dem großen Foto links sieht man deutlich, wie geschädigt der Baum ist. Auf der Hälfte des Stamms ist die Rinde bereits abgefallen.
Die Krone wurde bereits stark beschnitten, v.a. wohl um befallene Äste zu entfernen und auch, um den Baum insgesamt zu entlasten.
Das Detailfoto lässt unten am Stammfuß den schwarzen Pilzbefall erkennen.
Eine weitere Platane (Foto unten) ist ebenfalls ganz offensichtlich geschädigt. Sie scheint permanent zu nässen, sodass sich in der Krone grüner schleimiger Bewuchs gebildet hat. Derselbe Baum hat einen Längsriss in der Rinde, wie übrigens auch etliche andere Platanen hier am Neckarufer (vor allem diejenigen östlich der Alten Brücke, also Richtung Ziegelhausen. Fast alle diese Risse zeigen sich auf der nach Süden gerichteten Stammseite).
Die wahrscheinlichste Erklärung dafür ist, dass es sich um Frostrisse handelt. Dazu kommt es durch große thermische Unterschiede auf der Rinde, wenn etwa die der Sonne zugewandte Seite des Stamms sich stark erwärmt, die entgegengesetzte Seite aber noch feucht und kalt ist.
Am häufigsten ereignen sich Frostrisse im Frühjahr, wenn die Sonne bereits Kraft hat, die Nächte aber noch recht kalt sind. Hier macht sich der Alleinstand negativ bemerkbar. In einem natürlichen Umfeld würden nahestehende Nachbarbäumen durch ihren Schatten eine zu starke Aufheizung des Stamms verhindern. Ungünstig wirkt sich auch der künstlich astfrei gehaltene Stamm aus; bei vollkommen natürlichem Wuchs besäße der Stamm Äste und Ästchen, die für Schatten sorgen würden.
Der Standort am Neckarufer (Neuenheimer bzw. Ziegelhäuser Landstraße) bedeutet für die Platanen Stress pur. Es gelten die gleichen negativen Faktoren wie oben beim Neuenheimer Marktplatz: Im Alleinstand sind die Bäume den Elementen preisgegeben, dazukommen Wassermangel, kaum Belüftung sowie ständiges Begehen und Befahren des Wurzelraums, was den Boden verdichtet.
Beispiel 5: Tote Bäume in der Straße „Im Neuenheimer Feld“ – Fotoserie
Die folgenden Fotos entstanden an einem Tag (Ende März 2021) bei einer kurzen Radtour durchs Neuenheimer Feld.
Die Bilanz: Allein entlang der Straße „Im Neuenheimer Feld“ 11 Stümpfe von Bäumen/Großsträuchern; die Bäume litten alle unter Pilzbefall infolge ihrer verminderten Widerstandskraft durch Hitze und Trockenheit.
In der Berliner Straße (in Höhe der Einmündung der Straße „Im Neuenheimer Feld“) stehen diese beiden kranken Bäume.
Ein Teil der Rinde ist abgefallen; in der Vergrößerung erkennt man den Pilzbefall an dem diagonal nach oben strebenden Ast.
Geschädigte Bäume im Stadtgebiet: Kronenverlichtung
Einige Beispiele für Bäume mit dürren Stellen im Kronenbereich. Die Fotoserie wird fortgesetzt.
Jungbäume pflanzen – leider kein Allheilmittel mit Gelinggarantie
Auch Jungbäume kommen nicht unbedingt mit einem ungünstigen Standort und den zusätzlichen Belastungen durch den Klimawandel zurecht. Wer aufmerksam beobachtet, wird immer wieder quer durch verschiedene Baumarten junge und mittelalte Bäume entdecken, die bereits weit vor ihrer Zeit kränkeln und eingehen.
Fotoserie: Geschädigte Bäume rund um die Kopfklinik (INF 400)
Zweimal Japanischer Schnurbaum (vor dem Eingang zur Kopfklinik, an der Straße Im Neuenheimer Feld) – beide mit einem hohen Anteil an dürren Ästen. Die Bäume sind deutlich geschädigt – und das, obwohl der Schnurbaum zu den Bäumen zählt, die in Zeiten des Klimawandels als Hoffnungsträger gelten. Es zeigt sich immer wieder: Nicht jede potenziell als trockenheits- und hitzeresistent Gattung funktioniert automatisch an jedem Standort.
Zusätzlich beunruhigend: Es handelt sich bei den beiden Schnurbäumen und den anderen abgebildeten Bäumen rund um die Kopfklinik durchweg um junge oder mittelalte Bäume.
Zum Nachlesen:
[1] Zahlenangaben nach Sarah Hinney: „Der Baumbestand ist massiv gefährdet“, in: RNZ vom 27./28.03.2021; https://www.rnz.de/nachrichten/heidelberg_artikel,-heidelberg-der-baumbestand-ist-massiv-gefaehrdet-_arid,648889.html.
[2] Vgl. RNZ vom 10.03.2020 „Fünf Neckarufer-Platanen überlebten die Hitze nicht“; https://www.rnz.de/nachrichten/heidelberg_artikel,-heidelberg-neuenheim-fuenf-neckarufer-platanen-ueberlebten-die-hitze-nicht-_arid,503618.html.
[3] Vgl. RNZ vom 03.03.2021 „Wann die neuen Platanen in Neuenheim gepflanzt werden“; https://www.rnz.de/nachrichten/heidelberg_artikel,-heidelberg-wann-die-neuen-platanen-in-neuenheim-gepflanzt-werden-_arid,635563.html.