„The Wall“ in Kirchheim

Seit Kurzem fühlen sich die Kirchheimer wie im falschen Film. Titel: „Die nackte Gabione“ — ein Mehrteiler.

Worum geht’s? Eine gigantische Wand aus Gabionen erhitzt derzeit die Gemüter in der Kirchheimer Hardtstraße und weit darüber hinaus. Das Monstrum ist nicht nur eine derbe Beleidigung fürs Auge. Vielmehr sorgt es mit seiner schieren Masse aus Stein für unerwünschte Aufheizung – die Mauer ist nach Osten ausgerichtet und sammelt bis in die Mittagszeit jeden Sonnenstrahl.

Stein, wohin man schaut: Die Gabionen-Wand ist 170 m lang und 3,70 m hoch. Bezirksbeirätin Heike Hauck beim Vermessen der Front aus Steinkäfigen.

Rechtlich hat alles seine Ordnung. Die Mauer steht auf dem Gelände einer Firma für Fensterbau und wurde in dieser Gestalt und Größe vom Baurechtsamt genehmigt. Leider unter der fälschlichen Annahme, dass eine Gabionen-Mauer „ökologisch wertvoller“ sei als eine herkömmliche Mauer aus Stahlbeton oder Ziegelstein.

Wie ökologisch ist eine Gabionen-Wand?

Eine nackte Gabionenwand ist eine Art vertikaler Schottergarten und damit genauso biologisch wertvoll – nämlich gar nicht. Dass die Gabione per se ökologisch ist, ist eine reine Marketing-Behauptung der Steinkäfig-Hersteller. Vielmehr gilt das bayerische Sprichwort: „Wo nix ist, da wächst auch nix hin“.

Steine in Käfighaltung.

Zum Lebensraum kann eine Gabione erst dann werden, wenn sie beispielsweise in einem Garten als Stütze für einen Hang dient, also mit Erde hinterfüllt ist. Wenn sich Erdreich, Laub, Ästchen etc. zwischen den Steinen anlagern, kann die Gabione mit der Zeit zum Lebensraum werden. Eine andere Möglichkeit ist es, eine Gabionenwand zu beranken oder z.B. mit Pflanztaschen zu begrünen.

Vom Baurechtsamt wurde versäumt, wenigstens eine Berankung der riesigen Mauer zu verlangen. Überhaupt hat man vonseiten der Stadt Heidelberg ganz offenbar allgemein keinerlei Interesse an der Begrünung von Gebäuden. Das erste städtische Gebäude mit Fassadenbegrünung lässt immer noch auf sich warten. Unfassbar, angesichts der fortschreitenden Klimakrise.

Die Gabionenwand ist laut Bauamt Teil einer (noch folgenden) Überdachung für ein Außenlager; das Dach soll extensiv begrünt werden, also mit niedrigen Pflänzchen. Ein bisschen Grün soll also noch kommen, allerdings keines, das die Ödnis sichtbar auflockern wird.


Zum Nach- und Weiterlesen:

RNZ am Puls vom 7.7.2023 „Ist solch eine Schandmauer überhaupt erlaubt?“

„Mr. Würzner, tear down this wall“ – RNZ-Leserbrief (mit Foto) von Heike Hauck am 6.7.2023.

Georg Cadeggianini: „Die Mauer muss hin“, in: SZ Magazin 9/2018 — eine witzige Glosse über eine der „merkwürdigsten Verirrungen moderner Architektur: die Geschichte vom Siegeszug der Gabione“.