Zurück ins Barock – Umbau im Botanischen Garten

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt laufen im Botanischen Garten schon seit einiger Zeit Sanierungs- und Umbaumaßnahmen. Wie 2015, zum 100. Geburtstag des Botanischen Gartens im Campus INF, bereits angekündigt, werden nach und nach alle Teile des Botanischen Gartens auf Vordermann gebracht.

Die Hochmoor-Landschaft und die Düne hatten bereits ihr „Umstyling“ – nun geht es an die dickeren Brocken. Seit April wird die Erneuerung der maroden und zT. undichten Gewächshäuser in Angriff genommen. Für die Pflanzen müssen, bis ihr neues Zuhause fertig ist, Ersatzunterkünfte geschaffen werden – dafür wurde ein Teil des sog. Systemgartens planiert. Hier entstehen die Ausweichquartiere für den wertvollen Pflanzenbestand.

Der halbe Systemgarten muss als Stellfläche für die Ersatz-Gewächshäuser dienen.

Doch die Maßnahmen beschränken sich nicht nur auf die Glashäuser. Der ganze östliche Teil des Botanischen Gartens einschließlich des Systemgartens soll in neuem Glanz erstrahlen. Als Vorlage dafür dienen die Pläne, nach denen der Botanische Garten 1915 bei seinem Umzug ins Neuenheimer Feld einst gestaltet waren. Damals erinnerte sein Erscheinungsbild an einen Barockgarten.

Der Botanische Garten der Universität Heidelberg 1915.
Der Botanische Garten der Universität Heidelberg 1915. Das Gebäude des Botanischen Instituts wurde erst nachträglich 1954 mitten in das speichenförmige Wegenetz (rechte Bildhälfte) hineingesetzt, ist daher nicht in die Skizze eingegangen.
Bildquelle: Festschrift zum 100. Geburtstag des Botanischen Gartens.

Der Blick der Entwurfsskizze ist nach Süden gerichtet. Ganz im Süden (linke obere Bildhälfte) erkennt man ein langgestrecktes Gebäude, ganz im Stil einer Orangerie gehalten. Dieses Gebäude existiert noch, ist aber durch einen „Wildwuchs“ von nachträglich angebauten Gewächshäusern komplett verdeckt. Diese Fassade soll freigelegt werden und nach gründlicher Renovierung wieder in ihrer ursprünglichen Gestalt erstrahlen.

Hier sieht man schön, wie die historische Orangerie-ähnliche Fassade durch die nachträglich davor gebauten Gewächshäuser verdeckt wird.
So soll die renovierte historische Fassade einmal aussehen. Bildquelle: Haas-Architekten, mit freundlicher Genehmigung.

Die Gewächshäuser werden neu angeordnet, mit strenger Trennung von Schauhäusern für das Publikum und Gewächshäusern, die ausschließlich dem wissenschaftlichen Betrieb vorbehalten sind. Im Systemgarten sollte die Reihe der drei Teiche (s.o. Entwurfsskizze) wieder rekonstruiert werden – von der Idee ist man inzwischen abgekommen (s.u. Update).

Ein Wermutstropfen: Das neue große Palmenhaus soll nach den Plänen niedriger ausfallen als das alte – einfach aus Gründen der Proportion. (s. u. Update für neue Infos).

Alter Zustand, Blick nach N. Klar erkennbar sind die 4 nachträglich vor die Fassade gebauten Gewächshäuser. Gut zu sehen ist auch, dass zwischen sämtlichen Glashäusern Lücken gelassen wurden. Das ist unter dem Gesichtspunkt der Energieeffizienz heute nicht mehr tragbar. Bildquelle: Festschrift zum 100. Geburtstag des Botanischen Gartens.
Neue Gestaltung: Blick nach S. Erkennbar ist die klare Trennung der Glashäuser für den Wissenschaftsbetrieb (ganz oben im Bild, eng gestaffelt) und für den Publikumsbereich (mit Innenhöfen). Die der Wissenschaft vorbehaltenen Glashäuser sind aus Gründen der Energieersparnis als kompakter Block gestaltet. Bildquelle: Haas-Architekten, mit freundlicher Genehmigung.

Also zurück ins Barock? Ja, aber zum Glück mit Augenmaß

Glücklicherweise hat man von einer tiefgreifenden Umgestaltung der Baumsammlung (Arboretum) im westlich gelegenen Teil des Botanischen Gartens Abstand genommen. Dieser Bereich wird also nicht nach dem historischen Vorbild von 1915 umgestaltet. Denn sonst müsste man ein radiales Wegenetz in das grüne Herz des Botanischen Gartens einziehen, wodurch es in schmale Sektionen zerteilt würde. Diese Pläne für ein radiales Wegenetz im Bereich des Arboretums gab es – bis jetzt hängen sie so noch im Schaukasten des Botanischen Gartens (Eingang West/Medizinische Klinik) aus.

Jedoch müssen aus Artenschutzgründen die Sanierungsmaßnahmen in diesem Teil geringgehalten werden. Das versicherte mir Diplombiologe Philipp Kremer im Gespräch, der mit der artenschutzrechtlichen Baubegleitung betraut ist.

Das wilde grüne Herz des Botanischen Gartens, die große Wiese mit der Baumsammlung, bleibt unangetastet.
Dieses kleine grüne Lüngchen ist ein überaus beliebter Ruhe- und Mußeort. Nie war er wichtiger als heutzutage, angesichts von Sichtbeton ringsum, extremer Nachverdichtung und Klimakrise.

Die von alten Bäumen bestandene Wiese im Zentrum des Botanischen Gartens ist für viele Menschen ein äußerst beliebter Ort der Ruhe und des Naturerlebens.

Auf den schattigen Bänken suchen Kranke aus den umliegenden Kliniken Erholung, Uniangestellte schätzen eine Pause im Grünen, Studenten kommen hierher zum Lernen oder Relaxen. Aber auch für Spaziergänger ist der kleine Park immer ein Anziehungspunkt – unter den großen Bäumen macht eine Spazierrunde bei fast jedem Wetter Spaß.

Gerade jetzt, wo ringsum am Campus die Nachverdichtung mit Hochdruck vorangetrieben wird, ist der grüne Ruhepol wichtiger denn je.

👉 Update: Auf dem Sommerfest am 18. Juni 2023 gab Prof. Koch, der Direktor des Botanischen Gartens, einen Überblick über den aktuellen Stand der Planungen. Hier die wesentlichsten Punkte:

  • Die Orangerie-ähnlichen Gebäude können nicht renoviert werden, da eine nähere Untersuchung inzwischen gezeigt hat, dass sie kein Fundament besitzen. Sie werden aber in dem alten Stil neu gebaut.
  • Die Einteilung/Wegeführung des Systemgartens soll so gestaltet werden, dass möglichst wenig Versiegelung entsteht. Von der Idee, die 1915 vorhandenen drei Teiche zu rekonstruieren, hat man sich verabschiedet.
  • Das Tropenhaus soll nun doch die gleichen Ausmaße (Kubatur) wie das alte erhalten.
  • Das Arboretum bleibt in der jetzigen Gestalt erhalten, das betonte Prof. Koch noch einmal ganz nachdrücklich. Frühere Pläne, die ein Fällen der Bäume und das Anlegen eines speichenradförmigen Wegenetzes vorgesehen hatten, sind damit zum Glück vom Tisch. Was allerdings im Zuge der Sanierung ansteht, ist die Erneuerung der unterirdischen Versorgungsleitungen – dafür werden Aufgrabungen im Bereich des Arboretums notwendig sein.
  • Neben den maroden Gewächshäusern müssen auch die undichten Zisternen erneuert und vergrößert werden.
  • Die Dauer der Sanierungsarbeiten liegt bei geschätzten 5–7 Jahren.
Die Erneuerung der Glashäuser ist dringend notwendig: Rost, undichte Stellen, energetisch ungünstige Einfachverglasung, defekte Verschattungsanlagen, gefährlich brüchiges Gitterglas im Dachbereich … die Mängelliste ist lang.

Quellen:

Hier können Sie die Pläne für Systemgarten, Fassade und Gewächshäuser einsehen: https://www.haas-architekten.de/projekte/glashaeuser/botanischer-garten-heidelberg/

Festschrift 100 Jahre Botanischer Garten im Neuenheimer Feld, 2015 (nicht mehr öffentlich verfügbar).