Pfusch am Baum: Kappschnitt ruiniert Bäume

Überall kann man sie jetzt wieder sehen: radikal gestutzte Bäume. Die Monate von Oktober bis Februar werden oft für einen Rückschnitt von Bäumen genutzt. Doch häufig erfolgt der Schnitt unfachgerecht, mit fatalen Folgen.

Rohrbacher Straße: Dieser Baum war einmal eine kräftige Atlaszeder. Der Leittrieb ist gekappt, alle Äste sind verstümmelt. Die vielen großen Wundflächen sind Einfallstore für Schadorganismen. Nach einem solch radikalen Eingriff ist die Lebensdauer des Baums erheblich reduziert.

Vielfach wird immer noch der „Kappschnitt“ angewendet. Er gilt heute als überholt, weil diese Maßnahme den Anfang vom Ende für den Baum bedeutet. Als  „Kappung“ bezeichnet man einen starken Rückschnitt, bei dem der größte Teil oder die gesamte Krone entfernt werden. Die natürliche Gestalt der Krone geht dabei unwiederbringlich verloren.

Große Wundflächen an einem Götterbaum, Weststadt.

Häufiger Grund für einen solchen, nicht fachgerechten Radikalschnitt:  (vermeintliche) Geldersparnis durch einen einmaligen kräftigen Schnitt. Im Nachhinein erweist sich die vermeintliche Geldersparnis als Trugschluss. Denn bald werden, anders als gehofft, in rascher Abfolge weitere Maßnahmen erforderlich. Wie das?

Kappung mit fatalen Folgen

Durch den Radikalschnitt büßt der Baum mit einem Schlag die ganze Krone oder einen großen Teil davon ein. Damit verliert er einen Großteil seiner „Betriebsmittel“. Dh., seine Möglichkeiten, die lebenswichtige Fotosynthese zu betreiben, sind massiv eingeschränkt. In Folge kommt es zu einer Art „Panikreaktion“. Der Baum ist bestrebt, den Verlust an Blattmasse möglichst rasch zu ersetzen.

Doch langsam gewachsenes Astwerk ist nicht auf die Schnelle zu ersetzen. Vielmehr bildet der Baum zur Kompensation des Verlusts rasch massenhaft minderwertige Triebe (Wasserreise, Reiterate) und einen Wust an Blättern. Für die entfernten Äste sind die Wasserreiser kein gleichwertiger Ersatz, da sie keine feste Verbindung mit der Rinde eingehen und daher sehr bruchgefährdet sind.

In der Vergrößerung sieht man es deutlich: Die Wasserreiser haben keine feste Verbindung mit der Rinde. Sie sind kein Ersatz für normal gewachsene Äste.

Durch das Übermaß an Wasserreisern muss – anders als erhofft – in wenigen Jahren erneut eine Schnittmaßnahme erfolgen. Mit der Folge einer weiteren Schwächung des Baums.

Der Baum beim Austreiben von frischen Wasserreisern Anfang Mai 2022. (Im Weiher, H’heim).
Derselbe Baum im Februar 2023: Die Wasserreiser sind gewaltig geschossen. In 1–2 Jahren muss der Baum wieder geschnitten werden.

Die Kappung setzt eine Entwicklung in Gang, die nach einiger Zeit unweigerlich mit dem Verlust des Baumes endet. In der modernen Baumpflege gilt sie als nicht fachgerechte Maßnahme.

Oft gehen die Radikalschnitte auf „Hausmeisterservices“ zurück, die Rückschnitte von Bäumen anbieten, ohne dafür qualifiziert zu sein.

Die ursprüngliche Form der Krone ist bei diesem Ahorn durch den Kappschnitt nicht mehr erkennbar. (Garten des Ethianum, Bergheim).
Galerie des Schreckens: Bäume entlang der Bergheimer Straße (I)
Galerie des Schreckens: Bäume entlang der Bergheimer Straße (II)
Galerie des Schreckens: Bäume entlang der Bergheimer Straße (III)
Ein häufiger Fehler: die Wahl des falschen Standorts. Ginkgos sind in der Jugend schmal, entfalten sich aber mit dem Alter gewaltig in Höhe und Breite. Wie hier am Kastellweg bleibt dann nur der Radikalschnitt.

Weitere negative Folgen des Kappschnitts

Durch den Kappschnitt entstehen große Wundflächen, die der Baum nicht mit Rinde überwallen kann. Diese Flächen sind Einfallstore für Pilze und andere Schadorganismen.

Die Kappung verkürzt die Lebenszeit der Bäume. Damit beschneidet man gleichzeitig ihre wertvollen Leistungen wie:

  • Schattenwurf,
  • Staubbindung,
  • CO2-Bindung,
  • Sauerstoffproduktion,
  • Kühlung durch Verdunstung.
Frischer Kappschnitt an einer Platane (Foto: P. Trietsch).

Zum Nach- und Weiterlesen:

Hendrik Weiss: Behandlung und Schnitt von ehemals gekappten Bäumen, in: A. Roloff (Hg.), Baumpflege. 3. erw. Aufl., Stuttgart 2019, S. 147–162. Zu den fatalen Folgen des Kappschnitts besonders S. 147f.

Sehr ausführlich behandelt die Baumpflegerin Daniela Antoni das Thema „Kappschnitt“ in vielen ihrer Beiträge auf ihrem sehr informativen Instagram-Kanal baumkontrolle_im_netz.

Siehe auch meinen Beitrag vom 15.4.2022 „Baumruinen nach unsachgemäßem Radikalschnitt“.