Bodenlos heißt brotlos: Äcker für regionale Produktion erhalten

Am 10.02.2022 hatte der Gemeinderat darüber zu entscheiden, ob bei der Entwicklung der ehemaligen US-Siedlung Patrick-Henry-Village (PHV) zu einem neuen Stadtteil zusätzlich im Westen angrenzende Ackerflächen in die Planung mit einbezogen werden. Die mögliche Bebauung fruchtbarer Äcker wurde im Vorfeld heftig diskutiert.

Der Gemeinderat fällte folgenden Beschluss: Die zur Debatte stehenden Ackerflächen (7 ha + Option auf weitere 11 ha) bleiben vorerst – bis 2030 ­– unbeplant. Danach muss neu entschieden werden. Für die 7 ha große Fläche wurde allerdings bereits im Zuge des dynamischen Masterplans für das PHV eine Baugenehmigung erteilt (Beschluss vom Juni 2020).

FRUCHTBARER BODEN, AUF DEM GETREIDE UND GEMÜSE HERVORRAGEND WACHSEN Das ist die strittige Fläche (im Hintergrund die Zeilenbauten des PHV ).

„Flora, Fauna und Finanzen – Was ist uns der Acker wert?“

Zu diesem Thema hatten fünf Tage vor der Gemeinderatssitzung Natur- und Umweltschützer und Landwirte aus der Region gesprochen. Initiiert hatte die öffentliche Veranstaltung Dorothee Hildebrandt vom Bündnis Ankunftszentrum Flüchtlinge Flächenerhalt (BAFF).

Eine Gruppe von etwa 30 Interessierten hatte sich am Kurpfalzhof auf dem Gemüsehof von Manfred Becker versammelt, um über das Thema Flächenerhalt zu diskutieren.

Landwirt Manfred Becker, dessen Äcker durch die angedachte PHV-Erweiterung verloren gingen, fand für diese Pläne bittere Worte: „In Sonntagsreden ist jeder ist für regionale Produkte“ – doch beim Schutz der Ackerflächen in der Region fehle die notwendige Konsequenz.

Dieses Fazit unterstrichen auch die anderen anwesenden Landwirte. Zwar seien sie im konkreten Fall nicht betroffen, aber sie betonten, dass sie alle es schon erlebt hätten, wie schnell Äcker etwa von Infra­­­­­struktur­maß­nahmen bedroht seien.

Unter den Anwesenden waren neben Heidelberger Landwirten auch Gemeinderäte  sowie Hans-Peter Kleemann (Nabu Landesverband BW) und Cornelia Wiethaler (Nabu Heidelberg, AK Umweltpolitik).

Die Argumente der Landwirte:

  • Verlorene Ackerflächen sind nicht ersetzbar.
  • Es geht um besonders guten, ertragreichen Boden (Lehmlöss), der sogar Sonderanbau erlaubt.
  • In Heidelberg sind die landwirtschaftlichen Betriebe – gemessen am Durchschnitt in BW ­– sehr klein. Daher stellt jeder Verlust von Fläche die Wirtschaftlichkeit infrage.
  • Die Höfe brauchen Zukunfts­sicherheit, damit junge Leute die Betriebe übernehmen und weiterführen.
  • Wie schnell Lieferketten reißen können, hat man zuletzt in der Coronakrise gesehen. Die Möglichkeit, vor Ort gute Lebensmittel produzieren zu können, sollte man nicht verspielen.

Weitere Argumente von BAFF und Nabu:

  • Kostbarer Boden, über tausende von Jahren gebildet, geht durch die Bebauung für immer verloren. Landwirtschaftliche Fläche ist nicht vermehrbar.
  • Die Vernichtung von Ackerflächen muss gestoppt werden, weil sie Biodiversität unter und über dem Boden zerstört.
  • Eine Vernichtung fruchtbaren Bodens ist auch Raubbau an den Lebensgrundlagen kommender Generationen.
  • Kein Neubau auf Ackerflächen, denn dort kann nicht günstig gebaut werden; es würden nur hochpreisige Wohnungen für eine zahlungskräftige Klientel entstehen.
  • Lebendige Böden sind Partner im Klimaschutz, denn sie speichern Klimagase.

Anwesend bei der Veranstaltung waren (außer den im Text Genannten) für den Gemeinderat: Larissa Winter-Horn (Die Heidelberger), Derek Cofie-Nunoo (Die Grünen), Nicole Marmé (CDU, Mitglied des Bau- und Umweltausschusses), Judith Marggraf (GAL) sowie Janis Mampel (Bezirksbeirat Kirchheim) und die Landwirte Manfred Becker, Volker Kaltschmitt, Dirk Mampel, Martin Pfisterer, Rainer Treiber u.a.


Zum Nach- und Weiterlesen:

Holger Buchwald: „Das sind die Entscheidungen fürs Wohnen in Patrick-Henry-Village“, in: RNZ vom 14.02.2022.

Sebastian Riemer: „Den Stadtteil zu vergrößern, spart Fläche“ (Interview mit Baubürgermeister J. Odszuck), in: RNZ vom 08.02.2022.

Joris Ufer: „Bündnis will den Acker erhalten“, in: RNZ vom 07.02.2022.

Sebastian Riemer: „Mieterverein fordert mehr geförderte Wohnungen im PHV – Es besteht die Gefahr, dass PHV preislich eine ‚Bahnstadt light‘ wird“, in: RNZ vom 07.02.2022.