Pfaffengrunder Terrasse: Chance auf mehr Grün verschenkt

In der Bahnstadt wurde vergangene Woche die Pfaffengrunder Terrasse nach 18 Monaten Bauzeit eingeweiht. In die Gestaltung der größten Freifläche des Stadtteils sind viele Wünsche der Anwohnerschaft mit eingeflossen. So wurden Tischtennisplatten aufgestellt, es gibt u.a. Hochbeete zum Gärtnern, eine Boulefläche, Graffitiwände, Trampoline, eine Vogelnestschaukel, kleine Wasserfontänen und Bänke. Das hügelig gestaltete Rasenstück lädt zum Slacklinen und zum Discgolfen ein, beides Trendsportarten. Insgesamt also ein breites Angebot für alle Altersstufen.

Viel zu viel Beton

Trotzdem, Begeisterung mag beim Betrachten der Anlage nicht aufkommen, im Gegenteil. Durch die überdimensionierten Betonflächen wirkt der Platz steril und wenig einladend. Die als Spielwiese konzipierte Rasenfläche erscheint mit 2200 m² deutlich zu klein bemessen angesichts ihrer ausgedehnten Betonumrahmung – und auch mit Blick auf die 12.000 m² Gesamtfläche.

Den Vorwurf, der Platz sei eine Betonwüste, wies Baubürgermeister Jürgen Odszuck weit von sich. Der Vorteil der eigens eingeplanten Betonflächen sei, dass man sie selbst bei schlechtem Wetter nutzen könne und dabei „saubere Schuhe“ behalte. Dieses Argument ist bestenfalls als Witz zu interpretieren. An versiegelten Flächen existiert in der gesamten Bahnstadt nun wahrlich kein Mangel, und mit der Schwetzinger Terrasse und dem Gadamerplatz verfügt der Stadtteil bereits über zwei befestigte Plätze.

Missachtung des Klimagutachtens von 2015

Die Bahnstadt gehört stadtklimatisch nachweislich mit zu den heißesten Ortsteilen in Heidelberg. Das Stadtklimagutachten von 2015 attestiert dem Stadtteil, er sei „humanbioklimatisch ungünstig“ – durch den „hohen Bebauungs- und Versiegelungsgrad“. Diese Beurteilung erfolgte bereits vor 6 Jahren (!), als vieles in der Bahnstadt noch gar nicht gebaut war. Hätte man den Ergebnissen des Klimagutachtens Rechnung getragen, hätte der Grünanteil der neuen Freifläche deutlich höher ausfallen müssen.

Wie kann man allen Ernstes angesichts stetig steigender Temperaturen erneut einen so großen Platz mit so viel Beton zupflastern?

Die neu eröffnete Pfaffengrunder Terrasse mit ausgedehnten Betonflächen. Die gegenüberliegende Längsseite der Rasenfläche ist nicht nur mit Beton gestaltet, ein Teil besteht auch aus sog. „wassergebundener Wegedecke“, also aus stark verdichteten natürlichen Bestandteilen (Schotter, Sand u.dgl.). Die schwarzen Tröge (Mitte, links) sind die Hochbeete fürs Urban Gardening.

Schwieriger Standort für Bäume

Es bleibt abzuwarten, wie viele der 125 Jungbäume an dem Standort letztlich wirklich groß werden. Denn die neuen Bäume werden es dort nicht leicht haben, trotz ausgeklügelter Vorrichtungen zur automatischen Bewässerung. Durch den Alleinstand sind die Bäume in den Sommermonaten von morgens bis abends der Sonne schutzlos ausgesetzt, ohne einen Schatten spendenden Baumnachbarn in unmittelbarer Nähe.

Hinzukommt noch die enorme Strahlungswärme, die an heißen Tagen von den geschlossenen Häuserreihen, dem Betonboden und dem angrenzenden Gadamerplatz ausgeht, einer Steinwüste schlimmster Sorte. Nicht umsonst hat das Landschaftsamt durchweg „Klimabäume“ gepflanzt: (dornenlose Gleditschien, Chinesische Rothölzer, Zerreichen, Blauglockenbäume, Vogelkirschen), also alles Bäume, die von Natur aus mit Hitze und Trockenheit besser zurechtkommen als andere Arten.

Pflegeleichtigkeit des Platzes als oberste Maxime

Was in meinen Augen ganz klar der maßgebliche Punkt für die Platzgestaltung war: die Pflegeleichtigkeit.  Deshalb vermisst man Sträucher und Staudenbeete mit attraktiven Blühpflanzen hier völlig – denn hier wäre regelmäßige Pflege notwendig.

Die Bäume wurden ohne jedes Begleitgrün gepflanzt, nackte Hochstämme ragen aus dem Boden. Ein verbindendes grünes oder blühendes Beet dazwischen oder begrünte Baumscheiben hätten Insekten Lebensraum geboten, die sterile Optik aufgelockert und zur Verbesserung des Kleinklimas beigetragen.

Aber die Stadt war in Zeiten knapper Kassen ganz offensichtlich bemüht, die Folgekosten durch laufend erforderliche Pflegemaßnahmen so gering wie möglich zu halten.

Fazit

Ein üppiger grüner Park hätte der Hitze-Insel Bahnstadt gutgetan; verschiedene Nutzungsangebote hätten darin genauso gut Platz gefunden. Bei der Planung des großen, freien Areals hätten sich alle Möglichkeiten für eine klimawandelgerechtere Gestaltung des Platzes geboten. Diese Optionen hat die Stadt ausgerechnet in ihrem Passivhaus-Vorzeige-Stadtteil nicht ausreichend ausgeschöpft. Durch ausufernde Betonflächen wurde am falschen Ort gespart, die Chance auf eine echte grüne Wohlfühloase vertan.

Zur Betonlastigkeit der Bahnstadt s. auch hier


Zum Nach- und Weiterlesen:

Odszuck-Zitat nach: Julia Lauer: „Ist dieser neue Bahnstadt-Platz eine Betonwüste?“, RNZ vom 23.10.2021.

Wie der folgende Auszug aus dem Stadtklimagutachten (S. 53) zeigt, war die Bahnstadt bereits 2015 eine Hitze-Insel, erkennbar an der tiefroten Farbe. Dabei waren viele der Gebäude, die heute stehen, damals noch gar nicht gebaut. Der Begleittext zu der Klimakarte ordnet u.a. die Bahnstadt als „humanbioklimatisch ungünstigen“ Stadtteil ein.

Tiefrot gekennzeichnet sind die Hitzepole der Stadt; Quelle: Stadtklimagutachten der Stadt Heidelberg 2015.

Das vollständige Stadtklimagutachten Heidelberg finden Sie auf der Website der Stadt Heidelberg-Informationssystem für Bürgerinnen und Bürger .

Weitere Infos zum Thema „Pfaffengrunder Terrasse“ auf der Website der Stadt Heidelberg, Stichwort „Pfaffengrunder Terrasse“, diverse Artikel zur Planung und zum Baufortschritt.