Die Rosskastanie – wunderschön und gefährdet

Zu den attraktivsten und beliebtesten Stadtbäumen gehört ohne Zweifel die Rosskastanie (Aesculus hippocastanum). Ganz selbstverständlich wird die Rosskastanie landläufig als einheimische Baumart empfunden. Falsch ist das letztlich nicht, aber man muss zeitlich sehr weit zurückgehen. Vor Urzeiten, im Tertiär, war die Rosskastanie einmal in Mittel- und Westeuropa heimisch.

Dann aber, während der folgenden Eiszeit, konnte die Kastanie nur in einem eng begrenzten Gebiet im Balkan überleben. Von dort gelangte sie im 16. Jahrhundert wieder zu uns. Der französische Arzt und Botaniker Carolus Clusius erhielt 1576 in Wien die ersten Samen aus Konstantinopel. Von da an dauerte es nur wenige Jahrzehnte, bis die Rosskastanie vielerorts in Mittel- und Westeuropa gepflanzt wurde.

Ein Schmuckstück, das sich hoffentlich noch lange erhalten lässt – die Kastanienallee in der Franz-Knauff-Straße, Weststadt.

Weiße, fleischfarbene, tiefrote Blüten

Rosskastanien mit weißen, gefüllten, fleischfarbenen und tiefroten Blüten
Ein Mix aus 4 Kastaniensorten: Tiefrote, blassrote, gefüllte und ungefüllte weiße Kastanien säumen die Neckarwiese.

Heute wird die Kastanie vor allem wegen ihrer prächtigen Blütenkerzen als Stadtbaum gepflanzt. Bei den Osmanen fanden dagegen auch ihre Früchte als Futtermittel für Pferde Verwendung. Daher rührt die Bezeichnung „Rosskastanie“. Für Menschen sind die schwach giftigen Früchte nicht genießbar. Übrigens: Trotz des ähnlichen Aussehens der Früchte sind Rosskastanie und Esskastanie (Marone) biologisch nicht miteinander verwandt.

Nektar-Ampel für Bienen & Co

Wer die weißen Kronblätter der Blüten genau betrachtet, entdeckt gelbe, orange oder rote Flecken. Das sind die sog. „Saftmale“. Mit ihnen signalisiert die Blüte, wie viel Nektar sie noch enthält. Gelb bedeutet viel Nektar, orange geringe Bestände, rot alles weg. Durch die Nektar-Ampel sparen Bienen Zeit und Kräfte, indem sie nur Blüten anfliegen, deren Besuch sich lohnt.

Kastanienblüte mit Saftmalen
Gut erkennbar: Die Saftmale der ungefüllten Kastanienblüte.

Besondere Kastaniensorten

Gefülltblühende RoßkastanieAesculus hippocastanum ‚Baumannii‘, Kennzeichen: üppige Blütenpuscheln. Die Sorte mit gefüllten Blüten besticht auch durch ihre schön geformte, breite und geschlossene Krone und einen kurzen, kräftigen Stamm. Durch den dichten Wuchs wirft sie einen kompakten Schatten, weshalb sie bevorzugt auf Parkplätzen gepflanzt wird. Für Bienen & Co sind die flauschigen Blüten allerdings eine Enttäuschung: Wie alle gefüllten Blüten allgemein enthalten sie keinen Nektar.

gefüllte weiße Kastanienblüten
Die gefüllten Kastanien sind, neben der ungefüllten Form, entlang der Neckarwiese zu finden. Auch zB. rings um die alte Orthopädie INF stehen etliche Exemplare.

Die Gelbe Rosskastanie Aesculus flava, auch Appalachen-Rosskastanie oder Gelbe Pavie genannt, Sie ist in Nordamerika verbreitet. In Heidelberg steht ein prächtiges Exemplar auf dem Campus INF.

Gelbe Kastanie aesculus flava
Die Gelbe Kastanie steht auf dem Campus INF in der Nähe des neuen Audimax, unmittelbar neben der Skulptur „Möbiusband“.

Die Rotblühende Rosskastanie gibt es in zwei Spielarten: eine (Aesculus carnea) bringt fleischrote Blüten hervor, die andere tiefrote Blüten (Aesculus carnea ‚Briotii‘). Die Fleischfarbene Rosskastanie ist durch Kreuzung der Weißen Rosskastanie mit der nordamerikanischen Roten Rosskastanie (Aesculus pavia) entstanden. Durch gezielte Auslese der Fleischroten Rosskastanie erzielte man in Frankreich Exemplare mit tiefroten Blüten (Aesc. carnea ‚Briotii‘).

Rotblühende Rosskastanien generell sind nicht anfällig für die gefräßige Miniermotte (s.u.). Daher werden in Heidelberg nun bevorzugt rote Kastanien gepflanzt.

Rotblühende Rosskastanie Solitär
Eine der schönsten Roten Kastanien Heidelbergs: Das prächtige Exemplar steht auf dem alten Campus in Bergheim.
Blüten der tiefroten Rosskastanie aesculus carnea 'Briotii'
Blüten der Tiefroten Rosskastanie (Aesculus carnea ‚Briotii‘).

Der Klimawandel gefährdet die Rosskastanien

Kein Zweifel: Der Klimawandel macht den Rosskastanien mit ihrem üppigen Laub schwer zu schaffen. Lange Trockenperioden schwächen die Bäume, sodass sie anfälliger werden für diverse Schadorganismen. Besonders leiden Kastanien, die als Straßenbäume gepflanzt sind. Sie haben ohnehin schlechte Lebensbedingungen durch wenig Erde und leiden noch stärker unter der Hitze durch die zusätzliche Wärmeabstrahlung von Gebäuden und Asphalt.

Dürre Kastanie
Fast komplett abgestorbene Kastanie. Ungünstiger Standort: Kein schattenspendender Nachbarbaum, wenig Erde, verdichteter Wurzelraum.

Die Miniermotte, die sich seit einigen Jahrzehnten in ganz Europa ausbreitet, befällt die Weißblütigen Rosskastanien. Die Larven des Falters setzen den Blättern so zu, dass sie vor­zei­tig absterben und schon im Sommer braun sind. Der betroffene Baum wird damit in seiner Fähigkeit, Fotosynthese zu betreiben und Energiereserven anzulegen, stark eingeschränkt. Heidel­berg ist von diesem Schädling beson­ders betroffen. Teilweise entstehen pro Sommersaison bis zu drei Generationen dieser Motte, je nach Witterung.

Schäden durch Miniermotte an Kastanienblättern
Vorzeitige Blattverbraunung durch die Miniermotte.

Ein ähnliches Schadbild verursacht der Blattbräunepilz (Guignardia aesculi). Der Pilz tritt allein oder gemeinsam mit der Motte auf.

Trotz allem mussten bei uns bisher keine Bäume nur aufgrund der Fraßschäden gefällt werden. Allerdings: Die durch das vorzeitige Absterben der Blätter bereits geschwächten Bäume sind empfindlicher gegen weitere Schädlinge und Krankheiten. Hinzukommt, dass sich durch den Klimawandel neue Schadorganismen bei uns ausbreiten.

Rindenkrankheit an Kastanien

Rostbraune bis schwärzliche Leckstellen an den Rindenpartien der Kastanie sind erste Anzeichen für einen Befall mit Bakterien (zB. Pseudomonas syringae) und/oder Pilzen. Infrage kommen eine Fülle von Erregern – oft kann nur eine Laboruntersuchung klären, welche Schadorganismen genau beteiligt sind.

Kranke Kastanie mit blutender Rinde
„Blutende“ Rinde einer jungen Kastanie infolge einer Infektion.

Zum Nach- und Weiterlesen:

Zu den Zukunftsaussichten für die Rosskastanie siehe auch https://correctiv.org/aktuelles/klimawandel/2019/10/18/klimaopfer-rosskastanie-bald-aus-dem-ruhrgebiet-verschwunden/; https://www.oz-online.de/artikel/1371671/So-bedroht-der-Klimawandel-unsere-Kastanienbaeume

Schloss und Schlossgarten Schwetzingen versuchen mit einem innovativen Projekt, Rosskastanien zu züchten, die mit dem Klimawandel besser zurechtkommen. https://www.schloesser-und-gaerten.de/fileadmin/Presse/pressemeldungen/37_schwetzingen/ssg_schloss-schwetzingen_pm_pflanzung-rosskastanien_220329.pdf

Zum Thema „Miniermotte“: https://baden-wuerttemberg.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/schmetterlinge/wissenswertes/12797.html

Eine Fundgrube für Infos rund um die Rosskastanie ist die hervorragend gemachte Info-Broschüre der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft von 2005: https://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/service/dateien/w48-beitraege-zur-rosskastanie.pdf